Prognostische Biomarker für Prostatakarzinom identifiziert

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Unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie IZI in Leipzig sowie der Klinik und Poliklinik für Urologie der Technischen Universität Dresden gelang es einem Forscherteam, prognostische Biomarker für das Prostatakarzinom zu identifizieren, die erstmals auf einer transkriptomweiten Gensequenzierung beruhen. Die Beschreibung der entwickelten Gensignatur zur Bewertung von Prostatakarzinomen nach erfolgter Operation wurde jetzt in der renommierten Fachzeitschrift »European Urology« veröffentlicht.

© Fraunhofer IZI

Das Prostatakarzinom ist in Europa die häufigste Krebsart und dritthäufigste tödliche Krebserkrankung bei Männern. Der klinische Verlauf lokal begrenzter Prostatakarzinome ist allerdings äußerst variabel. Einige Patienten leiden an einer sehr aggressiven Form des Tumors, die letztendlich zum Tode führt. Viele andere jedoch haben eine indolente (wenig agressive) Variante, die mit Hilfe einer radikalen Therapie geheilt oder sogar mit der Strategie der aktiven Überwachung (active surveillance) behandelt werden könnte. Denn häufig werden diese Patienten unnötigen Operationen unterzogen, da klinische und histopathologische Risikofaktoren sowie bisher existierende Biomarker und Klassifikationsmodelle nur unzureichend genau sind. Der Bedarf an zuverlässigeren Biomarkern, die eine frühzeitige Prognose über den klinischen Verlauf der Prostatakrebserkrankung ermöglichen, ist also hoch.

Einem Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom Fraunhofer IZI, der Klinik und Poliklinik für Urologie und dem Institut für Pathologie der Technischen Universität Dresden, dem Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie (IMISE) sowie dem Institut für Klinische Immunologie der Universität Leipzig ist es gelungen, prognostische Biomarker für das Prostatakarzinom zu identifizieren, die eine genauere Vorhersage zum Krankheitsverlauf ermöglichen. Weiterhin beteiligt an diesem Vorhaben waren der Fachbereich Pathologie und Urologie sowie die Abteilung für Experimentelle Onkologie des IRCCS Ospedale San Raffaele aus Mailand, Italien, und die Arbeitsgruppe Bioinformatics & Transcriptomics des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig.

Die Forschenden analysierten dem Prostatakarzinom zugrundeliegende molekulare Mechanismen. Sie untersuchten Veränderungen im gesamten Transkriptom, also der Genaktivität aller Gene. Sie waren auf der Suche nach Gensignaturen, die eine zuverlässige prognostische Aussage ermöglichen. Mehr als zweihundert Gewebeproben von operierten Prostatakarzinompatienten wurden dafür von der Fraunhofer IZI-Arbeitsgruppe Next-Generation Diagnostics (Dr. Conny Blumert) mittels transkriptomweiter Sequenzierung und Genexpressions-Microarrays bewertet.

Die Proben stammten aus der Klinik und Poliklinik für Urologie sowie dem Institut für Pathologie (Dir. Prof. Dr. Gustavo Baretton) der Technischen Universität Dresden. Wissenschaftler der Klinik und Poliklinik für Urologie haben unter Leitung von Professor Manfred Wirth und Professor Susanne Füssel die Proben in einem aufwendigen Verfahren für die Analysen aufbereitet sowie umfangreiche Daten zur klinischen Langzeitbeobachtung der Patienten bereitgestellt. »Wir haben für diese Forschungsarbeit klinische Proben von Krebspatienten zur Verfügung stellen können, die wir seit 1995 in unserer Biobank sammeln. Nur durch die enge Zusammenarbeit von Klinik und Forschung sind solche Projekte überhaupt möglich«, erläutert Professor Manfred Wirth, ehemaliger Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden.

In einer Überlebenszeitanalyse wurde die Expression einzelner Gene dann mit dem klinischen Verlauf abgeglichen. Dafür wurde die gewonnene Evidenz aus Kohorten von unterschiedlichen Arten von Probenmaterial durch die Arbeitsgruppe Bioinformatik des Fraunhofer IZI mittels einer statistischen Meta-Analyse zusammengeführt. »Für jeden Patienten haben wir alle selektierten Gene in einem prognostischen Genexpressions-Score, dem ProstaTrend-Score zusammengeführt«, erklärt Dr. Kristin Reiche, die Leiterin der Arbeitsgruppe Bioinformatik. Gemeinsam mit ihren Kollegen Dr. Markus Kreuz und Dominik Otto konnte die Wissenschaftlerin nachweisen, dass der ProstaTrend-Score sehr gute prognostische Effekte zeigt und mit den Überlebenszeiten der Patienten korreliert.

»Mit Hilfe des ProstaTrend-Score ließ sich genau einordnen, ob es sich um eine aggressive Form des Prostatakarzinoms handelt oder um eine indolente Variante. Eine Anwendung der transkriptomweiten Sequenzierung für kliniknahe Tests, wie sie erstmals von uns im ProstaTrend-Score umgesetzt wurde, ist grundsätzlich auch für anderen Krebsarten möglich«, führt Professor Friedemann Horn aus, der am Fraunhofer IZI die Abteilung Diagnostik leitet. Ein Patent auf das Verfahren haben die Fraunhofer-Forschenden gemeinsam mit den Projektpartnern eingereicht. Die mit dem ProstaTrend-Score umgesetzten Erkenntnisse resultieren aus Forschungsarbeiten des RIBOLUTION-Projektkonsortiums. Mittels einer Förderung durch die Fraunhofer-Zukunftsstiftung etablierte das Konsortium innovative Wege für die Identifizierung neuer Biomarker mittels moderner diagnostischer Lösungen.

Aufbauend auf den Erkenntnissen arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie IZI sowie der Technischen Universität Dresden aktuell an einer Übertragung der Gensignatur auf Biopsien. Langfristiges Ziel ist es, den ProstaTrend-Score für kliniknahe Tests zur Verfügung zu stellen, sodass er zur Bewertung der Aggressivität eines Prostatakarzinoms, gleich mit einer Biopsie, also der Entnahme von Gewebestanzen aus der Prostata, zum Einsatz kommen kann.

Die Publikation »ProstaTrend—A Multivariable Prognostic RNA Expression Score for Aggressive Prostate Cancer« von Markus Kreuz (Fraunhofer IZI, Universität Leipzig), Dominik J. Otto (Fraunhofer IZI), Susanne Füssel (TU Dresden) et al. ist am 4. Juli 2020 online in der Fachzeitschrift »European Urology« erschienen (doi: 10.1016/j.eururo.2020.06.001).

Partner

Technische Universität Dresden

Universität Leipzig

IRCCS Ospedale San Raffaele, Mailand (Italien)

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH – UFZ
 

Ansprechpersonen Technische Universität Dresden

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Manfred Wirth & Prof. Dr. rer. nat. Susanne Füssel
Klinik für Urologie, Universitätsklinikum der Technischen Universität Dresden (TUD)
Fetscherstraße 74
01307 Dresden
Urologie@uniklinikum-dresden.de