Optimierung selbstorganisierender molekularer Strukturen für den diagnostischen Einsatz
Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie IZI, der Harvard University und der University of Cambridge untersuchen wie die Selbstassemblierung von DNA-Molekülen zu komplexen Strukturen funktioniert. Sie haben nun herausgefunden, wie sich der Prozess der Selbstassemblierung so beeinflussen lässt, dass er effizienter und wesentlich schneller abläuft.
Damit kommen die Forscher ihrem Ziel näher, die Konstruktion von DNA-Brick-Strukturen zu steuern, um sie dann in der Diagnostik einsetzen zu können. Weitere potentielle Anwendungen liegen in der Herstellung von Geräten, wie beispielsweise nanoskaligen Logikschaltungen und Datenstrukturen, die die Bausteine für einen zukünftigen »Nano-Computer« sein könnten.
Die Wissenschaftler der Arbeitsgruppe DNA-Nanosysteme am Fraunhofer IZI und ihre Kollegen aus Cambridge untersuchen seit längerem mikroskopische sich selbstassemblierende, also von allein zusammenfindende, Molekülstrukturen, um ein besseres Verständnis der Physik dahinter zu erlangen. Ihre nun veröffentlichte Studie konzentriert sich auf DNA-Brick-Konstruktionstechniken und darauf, wie diese genutzt werden können, um präzise Anordnungen von Molekülen auf Oberflächen zu »drucken«. Beispielsweise könnten so große Arrays für den diagnostischen Einsatz hergestellt werden.
Systeme, die auf DNA-Brick-Strukturen, also auf DNA-Bausteinstrukturen basieren, sind nicht unproblematisch. Zum einen ist die Selbstassemblierung der DNA-Moleküle sehr zeitintensiv – es kann mehrere Tage dauern bis komplexe Strukturen vorliegen – und zum anderen ist die Anzahl korrekt gebildeter Strukturen oftmals sehr gering. Die Ausbeute liegt bei unter einem Prozent. Die Strukturen bestehen aus Tausenden unterschiedlichen Komponenten. Wenn nur ein Molekül an der falschen Stelle bindet und in der Folge andere Moleküle irrtümlich mit diesem, wird die Entstehung der eigentlich angestrebten Zielstruktur verhindert.
In dem nun in PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences) veröffentlichten Artikel demonstriert das Projektteam eine einfache Strategie zur Optimierung der Nukleation bzw. des ersten Schrittes der Selbstassemblierung einer Mehrkomponenten-DNA-Brick-Struktur. Die Wissenschaftler konnten zudem Protokolle für den Prozess der Selbstassemblierung ausarbeiten. Die Ausbeute der erzeugten Strukturen lässt sich damit von weniger als einem Prozent auf bis zu 25 Prozent steigern.
Um den Prozess der Selbstassemblierung zu optimieren, war zunächst ein größeres Verständnis des Ganzen erforderlich. Die Wissenschaftler nutzten dafür erstmals die Technik der dynamischen Lichtstreuung. »Das hat sehr gut funktioniert und uns ermöglicht, den Prozess in Echtzeit zu beobachten«, sagt Dr. Aleks Reinhardt, Forscher an der Cambridge University. »Andere Ansätze wie Fluoreszenzmessungen erfordern, dass der Prozess gestoppt wird, auch die verwendeten Fluoreszenzfarbstoffe selbst können das Ganze stören. Die dynamische Lichtstreuung ist weniger invasiv und zudem viel sensitiver.«
Die Erkenntnisse aus diesen Beobachtungen wurden mit einem theoretischen Modell zusammengeführt. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass die Ausbeute an korrekt assemblierten Strukturen weitgehend vom Nukleationsweg bestimmt wird. Sie etablierten einige Designprinzipien zur Verbesserung der Selbstassemblierung adressierbarer nanoskaliger Strukturen. Grundlage für diese Studien ist die 2012 von Harvard-Wissenschaftlern gemachte Entdeckung, dass sich potentiell tausende unterschiedliche DNA-Moleküle zu reproduzierbaren, komplexen, vollständig adressierbaren und nahezu fehlerfreien Zielstrukturen selbstassemblieren können. Die Strukturen »adressierbar« zu machen – also für jede einzigartige Komponente eine genau spezifizierte Position festzuschreiben – ist von entscheidender Bedeutung für die Konstruktion von Bauteilen im Nanobereich, da über die Struktur die Funktion gesteuert werden kann.
»Die Komplexität der DNA-Selbstassemblierung war zunächst auf eine Vielzahl von DNA-Faltungstechniken begrenzt«, erklärt Martin Sajfutdinow, Forscher am Fraunhofer IZI. »Die Entwicklung von DNA-Bricks hat dann den Weg bereitet, komplexere und präzisere Strukturen herauszuarbeiten, theoretisch ohne Größenbeschränkung. Sicherlich hat dies bisher noch nicht in jeder Hinsicht optimal funktioniert. Langfristig kann uns das vorliegende Projekt dabei helfen, großformatige und maßstabsgetreue Stempel für das Single Molecule Contact Printing zu erstellen. Eine Technik, die eine kosteneffiziente Oberflächenmodifizierung mit einer Auflösung von unter 10 nm erlaubt.«
Fazit: Die Wissenschaftler am Fraunhofer IZI haben ihre experimentelle Forschung mit den theoretischen Modellierungsarbeiten ihrer Kollegen der Universität Cambridge kombiniert. Dies führte zu einem besseren Verständnis darüber, welche wichtige Rolle die Nukleation bei der erfolgreichen Konstruktion von DNA-Brick-Strukturen spielt und wie diese optimiert werden kann.
Sajfutdinow und Kollegen führen in ihrer Studie aus: »In einem typischen Annealing-Protokoll haben Strukturen ein begrenztes Zeit- und Temperaturfenster, in dem sie sich bilden können: Bei hohen Temperaturen hemmt eine große freie Energie die Nukleation, bei niedrigen Temperaturen ist die Selbstassemblierung durch kinetischen Stillstand begrenzt. Der Schlüssel zur erfolgreichen Selbstassemblierung liegt in der Vergrößerung der Breite des Temperaturfensters, in dem die Nukleation stattfinden kann, wodurch die thermodynamische Trennung zwischen dem kritischen Nukleationsschritt und schädlichen Fehlbindungen maximiert wird.«
Ein Ergebnis der Optimierung des Prozesses der Selbstassemblierung ist die Beschleunigung um den Faktor zehn. Komplexe DNA-Brick-Strukturen lassen sich damit nun an einem Tag statt innerhalb einer Woche bilden. Die Wissenschaftler erhoffen sich davon, die experimentellen Bemühungen zur Entwicklung praktischer Anwendungen zu stimulieren.
Der Ergebnisse der Studie sind im Artikel »Direct observation and rational design of nucleation behavior in addressable self-assembly« veröffentlicht. Den Artikel können Sie online nachlesen: https://doi.org/10.1073/pnas.1806010115