Bioinformatik

Projekte: Biomarkersignaturen zur Diagnose und Prognose von Prostatakrebs

Prostatakrebs ist innerhalb Europas die häufigste Krebsart und dritthäufigste tödliche Krebserkrankung bei Männern. Die klinische Auswirkung lokal begrenzter Prostatakarzinome ist äußerst variabel. Einige Patienten leiden an einer sehr aggressiven Form, die rasch zum Tode führt. Viele andere jedoch haben eine indolente (träge) Variante, die mittels Therapie geheilt oder unbedenklich beobachtet werden könnte. Patienten werden oftmals unnötigen Operationen unterzogen, da klinische und histopathologische Risiko­faktoren sowie bisherige Biomarker und entsprechende Klassifikations­modelle unzureichend genau sind. Es besteht daher ein hoher Bedarf nach Biomarkern, die eine frühzeitige Prognose für den klinischen Verlauf von Prostatakrebs ermöglichen.

Um dies zu adressieren, werden am Fraunhofer IZI die zugrundeliegenden molekularen Mechanismen in Prostatakarzinomen analysiert. Es wurden Veränderungen im Transkriptom untersucht, um Gensignaturen von protein-kodierenden und nicht-protein kodierenden Genen zu identifizieren, die eine prognostische Aussage ermöglichen. Dazu wurden frisch eingefrorene Proben von radikalen Prostatektomien herangezogen und mit formalinfixierten paraffin­eingebetteten Proben einer radikalen Prostatektomie sowie Biopsien abgeglichen.

Das Transkriptom von mehr als zweihundert Gewebeproben von Prostatakrebspatienten unter klinischer Langzeit­beobachtung wurden mittels transkriptomweiter Sequen­zierung und Genexpressions-Microarrays bewertet. Es wurde eine Überlebenszeitanalyse durchgeführt, um die Expression einzelner Gene mit dem klinischen Verlauf abzugleichen. Mittels einer statistischen Meta-Analyse wurde die daraus gewonnene Evidenz für einzelne Gene auf verschiedene Arten von Probenmaterial übertragen. Für jeden Patienten wurden alle selektierten Gene in einem prognostischen Genexpressions-Score zusammengeführt. Dieser kombinierte Score zeigte sehr gute prognostische Effekte und korrelierte mit den Überlebenszeiten der Patienten. Der prognostische Score konnte anhand einer unabhängigen Testkohorte mit repräsentativer Stichprobengröße bestätigt werden und zeigte zudem eine Korrelation mit der Zeit zum bio­chemischen Rezidiv.

Es wurde ein transkriptombasierter Score entwickelt, der aggressive Formen von Prostatakrebs innerhalb einer Kohorte von Patienten identifiziert, die mittels radikaler Prostatek­tomie behandelt wurden. Weiterhin wurde der Score anhand von Gewebeproben einer unabhängigen Patientenkohorte bestätigt. Der Score eignet sich zur Unterstützung der klinischen Entscheidungsfindung für Patienten mit diagnostiziertem Prostatakarzinom. Gegenwärtig wird der Score anhand weiterer Gewebeproben, die klinischem Routine­material entsprechen, bestätigt.

Entwicklung eines neuartigen Klassifikators zur Prognose von aggressiven Krankheitsverläufen beim Prostatakarzinom in Nadelbiopsien

Trotz einer wachsenden Zahl von Behandlungsoptionen ist die therapeutische Situation für onkologische Erkrankungen vielfach unbefriedigend. Die personalisierte Medizin kann durch eine an Patient*innen individuell angepasste Therapiewahl grundlegende Fortschritte bringen.

Die häufigste bösartige Tumorindikation bei Männern in Europa ist das Prostatakarzinom. Screening mittels PSA, dem prostataspezifischen Antigen, führt zu einer hohen Rate an entdeckten Tumoren auch mit geringer Aggressivität. Klinische und histopathologische Risikofaktoren sowie bisherige Biomarker und ihre jeweiligen Klassifikationsmodelle teilen die Tumore nur unzulänglich in Risikoklassen ein. Dies hat zum einen zur Folge, dass Patienten übertherapiert werden, was mit einer starken Beeinträchtigung der Lebensqualität einhergehen kann. Zum anderen haben Patienten mit einem aggressiven Prostatakarzinom, die nicht operiert werden, eine erhöhte tumorbedingte Sterblichkeit. Demnach bedarf es einer Verbesserung der Risiko-Kategorisierung des Prostatakarzinoms.

Unter Anwendung von Next-Generation-Sequenzierungen (NGS) wurden am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie detaillierte Kenntnisse der Zusammenhänge zwischen der Aktivität von molekularen Signalwegen und dem Risiko eines aggressiven Krankheitsverlaufes gewonnen1. Im Rahmen von »RiboTrend« wird eine prototypische Software für einen Klassifikator zur Vorhersage von aggressiven Krankheitsverläufen des Prostatakarzinoms entwickelt, der eine verbesserte Tumorkategorisierung ermöglichen soll.

Das Projekt »RiboTrend – Entwicklung eines neuartigen Klassifikators zur Prognose von aggressiven Krankheitsverläufen beim Prostatakarzinom in Nadelbiopsien« wird über das Land Sachsen mit Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.

1 Kreuz et al. ProstaTrend - A Multivariable Prognostic RNA Expression Score for Aggressive Prostate Cancer. Eur. Urology. 2020 Sep. doi: 10.1016/j.eururo.2020.06.001

Verbesserung von Diagnose und Behandlung bei Prostatakrebs durch Big Data Analysen

Das Fraunhofer IZI ist seit 2018 aktives Mitglied des EU-Konsortiums PIONEER (Prostate Cancer DIagnOsis and TreatmeNt Enhancement through the Power of Big Data in EuRope), einem Exzellenzcluster für Big Data Analysen bei Prostatakrebs. Das Konsortium umfasst 32 Partner aus neun europäischen Ländern. Ziel der Zusammenarbeit ist es, durch die Generierung und Analyse großer wissenschaftlicher und klinischer Datenmengen die Versorgung von Prostatakrebspatienten zu verbessern. Eine zentrale Rolle kommt dabei der Standardisierung und Integration existierender Daten verschiedenster Quellen zu, die zu Forschungszwecken in einer innovativen Open Access Plattform zusammengefasst werden sollen. Das Fraunhofer IZI trägt dazu vor allem durch seine Expertise im Bereich der Datenharmonisierung transkriptomweiter Expressionsstudien sowie statistischer Analysen zur Identifizierung und Bestätigung von Biomarkern bei.

Das PIONEER Konsortium wird gefördert durch des IMI2 Gemeinschaftsunterfangen, gelistet unter der Fördernummer 777492. Es ist Teil des Big Data for Better Outcomes Programms (BD4BO). IMI2 erhält Unterstützung durch das Horizon 2020 Research and Innovation Programme der EU sowie durch die Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA).

Der obenstehende Text repräsentiert ausschließlich die Perspektive des Fraunhofer IZI.