Bei modernen Verfahren zur Wirkstoffforschung ist man in den letzten Jahrzehnten dazu übergegangen, gewaltige Sammlungen von verschiedenen Substanzen von kleinen Wirkstoffmolekülen anzulegen und bei Bedarf diese Millionen Substanzen in kleinstem Maßstab zu testen. Dabei stoßen die Forscher*innen häufig an die Grenzen der wirtschaftlichen und physikalischen Machbarkeit und auch der gewünschte Erfolg ist wenn überhaupt nur in vielen Jahren harter Arbeit zu erreichen.
Die strukturelle Vielfalt von größeren Peptiden, Proteinen und Antikörpern ist um ein Vielfaches größer als die traditioneller Wirkstoffe. Es ist aussichtslos alle denkbaren Varianten eines solchen Moleküls chemisch herzustellen. Mit modernen Syntheseverfahren kann man aber Genmischungen herstellen, die so in Bakteriophagen (Viren der Bakterien) eingeschleust werden, dass sich jeweils ein einzelnes Gen für eine Peptid/Protein-Variante in einen Phagenpartikel und das jeweilige Peptid/Protein als Produkt dieses Genes sich auf der Oberfläche des selben Bakteriophagenpartikels befindet. Das hat dem Verfahren den Namen Phage Display eingebracht. Es ist kein Problem Genmischungen mit vielen Milliarden Varianten herzustellen. Etwas aufwendiger ist die Herstellung der entsprechenden Bakteriophagenmischungen durch Klonierung, ohne die Vielfalt in großem Umfang zu verlieren. In einem Kubikzentimeter (viertel Fingerhut) befinden sich letztlich viele Milliarden solcher Bakteriophagen-Varianten. Aus diesen werden durch Bindung an ein Zielmolekül einzelne Bakteriophagen mit passenden Peptiden »herausgefischt« und wieder in Bakterien vermehrt. Bei Wiederholung dieses Schritts können bindende Peptide angereichert werden. Wie ein*e Goldwäscher*in holt man die Nuggets aus dem ansonsten tauben Gestein, allerdings würde der*die Goldwäscher*in viel dafür geben, diese anschließend vermehren zu können. Immerhin wurde hierdurch aber der Begriff »Panning« für die Selektion von Bindern im Page Display geprägt.
Der Nachteil dieser Bibliotheken ist trotzdem, dass auch Sie nur einen Bruchteil der Varianten eines Peptids abdecken. Ein Peptid aus 10 Aminosäuren, das ist die Größenordnung kleiner Peptidhormone, ist in 2010 Varianten denkbar. Das sind mit 1013 mögliche Sequenzen, die von einer normalen Peptidbibliothek im Phage Display Format praktisch und theoretisch nicht abgedeckt werden können. Wir setzen daher auf neue Methoden:
In der Evolution führt in der Regel der direkteste Weg zu neuen Proteinen über die Rekombination von Genen und nicht über zufällige Änderungen durch einzelne Mutationen. Dieses wurde bereits vor vielen Jahren von verschiedenen Wissenschaftler*innen erkannt. Forscher*innen wie W.P.C. Stemmer (seinerzeit Affymax Inc.) führten mehr oder weniger gerichtete Rekombinationsverfahren ein. Ein Verfahren zur gerichteten Rekombination auch von Peptidgenen wurde von Prof. J. Collins entwickelt und bei der Firma Cosmix GmbH (Braunschweig) von Dr. M. Szardenings und Kolleg*innen auch für Antikörper und Proteine weiterentwickelt. Diese Bibliotheken lassen nicht nur die Herstellung ungewöhnlich großer Ausgangsbibliotheken zu (Peptidbibliothek > 1010 Sequenzen) sondern erlauben durch schrittweise Rekombination einen Sequenzraum von > 1015 Sequenzen zu erschließen. Dadurch kann zumindest theoretisch jede beliebige Peptidsequenz aus 10 Aminosäuren gefunden werden. Praktische Ergebnisse zeigen tatsächlich Homologien von 9–10 Aminosäuren zwischen selektierten Bindern.
Rekombination von Antikörperbibliotheken erfordert spezielle Expressionsvektoren und besondere Klonierungen. Wir können dieses Verfahren zur Identifizierung von Bindern aus cDNA Bibliotheken sowie validierte naive humane Fab Bibliotheken anbieten.
Am Fraunhofer IZI versuchen wir zurzeit jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit Peptidbibliotheken in neue Werkzeuge und Bibliotheken umzusetzen und zu kombinieren. Phagemidvektoren wurden für die Klonierung der Genfragmente optimiert und erlauben ganz neue Steigerungen der Selektionseffizienz. Wir haben Zugang zu den besten zurzeit verfügbaren DNA-Synthese-Techniken unserer Partner und konnten durch intelligentes Design sonst unerwünschte Sequenzduplikate beseitigen. Diese Bibliotheken bedeuten für manche bisher schwierige oder unlösbare Anwendung neue Hoffnung auf Erfolg.
Peptid Phage Display Bibliotheken von der Größe, wie sie am Fraunhofer IZI zur Verfügung stehen, erlauben eine rasche und zuverlässige Identifizierung von Epitopen und Mimotopen sowohl von monoklonalen als auch polyklonalen Antikörpern. Die gefundenen Peptide liefern nicht nur wertvolle Information zur Bindestelle am Protein sondern sie können auch in serologischen Assays und zur Reinigung von rekombinanten Antikörpern oder spezifischen Antikörpern aus polyklonalen Mischungen verwendet werden.
Diese Routinearbeit wird wegen ihrer kurzen Bearbeitungszeit und leicht überprüfbaren Ergebnissen gern von Firmen im Rahmen der Entwicklung von Antikörpern gewünscht.
Das Fraunhofer IZI verfügt insgesamt über eine ausgezeichnete Grundausrüstung an Geräten, die bei den sehr verschiedenen Projekten der Arbeitsgruppe zum Einsatz kommen. Für die Arbeitsgruppe Liganden-Entwicklung sind die folgenden Geräte von besonderer Bedeutung: